Warum versteht man Hans Moser besser als den Tatort-Kommissar?
Wenn der Fernsehabend zur Hörverständnisprüfung wird
Sonntagabend. Zeit für den „Tatort“. Man freut sich auf Spannung, raffinierte Dialoge und vielleicht ein bisschen Gänsehaut. Doch was passiert? Statt Nervenkitzel gibt’s Genervtheit. Die Kommissare nuscheln, die Hintergrundmusik wummert, und man fragt sich spätestens bei der dritten Szene: „Hat der das jetzt wirklich gesagt – oder war das ein Mückenschwarm auf der Tonspur?“ Viele Zuschauer kapitulieren irgendwann und schalten die Untertitel ein – wenn sie überhaupt noch dranbleiben.
Und dann kommt irgendwann ein alter Hans-Moser-Film aus den 50ern. Schwarz-weiß, wienerisch, ein wenig verstaubt. Aber siehe da: Man versteht jedes einzelne genuschelte Wort. Ironischerweise sogar das, was nicht ganz deutlich gesprochen wird. Wie ist das möglich?
Die Sprachmisere des modernen Fernsehens
Moderne Produktionen arbeiten mit komplexen Tonmischungen. Da wird nicht einfach „aufgenommen, was gesagt wird“. Nein, da wird geschichtet: Musik, Umgebungsgeräusche, Effektspur, Atmo, ein bisschen Wind hier, ein paar Schritte da – und irgendwo dazwischen: der Dialog. Leider oft so leise, als würde er sich schüchtern entschuldigen, überhaupt da zu sein.
Dazu kommt, dass TV-Ton heute oft im 5.1-Format produziert wird. Das ist für Leute mit Heimkino-Anlage ein Fest. Für alle anderen – also den Großteil der Bevölkerung – ist es eher wie ein ungewolltes Hör-Experiment. Denn wer keinen Center-Lautsprecher hat (wo die Sprache eigentlich ausgegeben wird), hört vom Dialog vor allem das, was nichtgesagt wird. Nämlich: nichts Verständliches.
Alte Filme, alte Schule – und klarer Ton
Früher war nicht alles besser – aber vieles lauter. Zumindest sprachlich. Schauspieler wie Hans Moser, Theo Lingen oder Gustl Bayrhammer (für die Jüngeren: das war der Tatort aus München, als man noch „Guten Tag“ sagte) wurden so inszeniert, dass jedes Wort zählte. Die Mikrofone waren nicht versteckt irgendwo am Hemdkragen oder unterm Revers geklebt – sie waren da, wo sie hingehörten: vor dem Mund.
Die Sprache war das zentrale Element. Musik? Gab’s auch. Aber leise. Geräusche? Klar. Aber nicht so, dass man denkt, man sei live in einem Flugzeugtriebwerk. Dialoge waren damals keine Soundkulisse, sondern Informationsträger. Heute wirken sie oft wie eine Art Geheimcode für Leute mit Spezialausbildung.
Das betrifft viele – aber niemand redet drüber
Das größte Problem: Es geht nicht nur um Menschen mit Hörproblemen. Auch Menschen mit völlig intaktem Gehör fragen sich regelmäßig, ob es an ihrem Fernseher liegt – oder am Drehbuch, das anscheinend keine Pausen oder Betonungen mehr kennt. Laut einer Umfrage der Bitkom verwenden rund ein Drittel der Zuschauer regelmäßig Untertitel. Nicht, weil sie schlecht hören, sondern weil sie einfach nichts verstehen.
Besonders absurd: Wir reden ständig über Barrierefreiheit – aber wenn es ums gesprochene Wort im TV geht, scheint das Interesse zu enden. Als wäre der Zugang zu verständlicher Sprache kein Grundrecht. Die Lösung? Technisch gesehen wäre sie einfach:
- Tonmischung für die Zielgruppe anpassen – also nicht fürs Kino, sondern für Wohnzimmerlautsprecher.
- Optionale Tonspuren mit Dialogfokus anbieten (gibt es in England längst).
- Bessere Schulung der Tontechniker für alltagsgerechte Abmischung.
- TV-Geräte, die Sprache gezielt hervorheben (einige Soundbars bieten das inzwischen an).
Aber stattdessen: weiter wie bisher. Hauptsache, der Tatort wirkt möglichst authentisch. Dass der Zuschauer dabei nicht mehr mitkommt – Nebensache.
Und warum ist das ärgerlich?
Weil es schlicht unnötig ist. Es gibt keinen technischen Grund, warum Fernsehton so schlecht sein muss. Es ist eine Frage der Entscheidung – und der Haltung gegenüber den Zuschauern. Wer auf verständliche Sprache verzichtet, schließt Menschen aus: Ältere, Hörgeschädigte, Kinder, Nicht-Muttersprachler – und alle, die abends einfach nur mal in Ruhe einen Film schauen wollen, ohne Detektivarbeit mit den Ohren zu leisten.
Fazit: Mehr Hans Moser, weniger akustisches Chaos
Wenn man einen Film aus den 1950ern besser versteht als eine aktuelle Sonntagabendproduktion, stimmt etwas nicht. Und nein – das liegt nicht am Alter des Zuschauers, sondern am Zustand der Tonspur. Wer sich Mühe mit Bild, Kamera, Musik und Ausstattung gibt, sollte auch das Rückgrat jeder Erzählung nicht vergessen: die Sprache.
Bis sich das ändert, bleibt nur eins: Untertitel an, tief durchatmen – oder doch lieber Hans Moser. Da weiß man wenigstens, was man nicht versteht. Und das ist oft noch klarer als das, was man heute angeblich hören soll.