Der Morbus Menière ist für jeden Betroffenen eine mächtige Belastung und führt in vielen Fällen zu einer massiven Einschränkung seiner Lebensqualität. Die wiederkehrenden zum Teil massiven Schwindelanfälle mit Übelkeit und Erbrechen wiederholen sich in mehrfach wöchentlich oder zumindest öfter im Monat.
Meinem ärgsten Feind würde ich diese Erkrankung nicht wünschen!
Was mich schon immer geärgert hat, ist der leichtfertige Umgang mit der Diagnose. Es gibt nicht wenige Kollegen, die aus Unwissenheit oder Faulheit behaupten, der Patient hätte einen Morbus Menière, obwohl es gar nicht stimmt. Das führt zu einer kompletten Verunsicherung des Patienten, die dann oft aufgelöst in meiner Praxis erscheinen. Das muss so nicht sein!
Die Diagnose „Morbus Menière„ ist bis zum heutigen Datum eine knifflige Detektivarbeit und in den meisten Fällen eine Ausschlussdiagnostik. Das bedeutet, dass man alle anderen Ursachen fachgerecht abgeklärt hat, und keine Wahl mehr hat, das vorliegende Krankheitsbild als „Morbus Menière” zu bezeichnen. Wenn ein Berufsgenosse bei einem erstmaligen Drehschwindel mit Übelkeit und Erbrechen behauptet, dass es sich um eine „Menière´sche Erkrankung” handele, so liegt er in den allermeisten Fällen komplett daneben. Aber keine Sorge, lieber Leser, diese Kollegen gibt es leider zu oft – doch relativ selten unter HNO Ärzten.
Daher möchte ich Sie bitten, wenn Sie aufgrund der Verdachtsdiagnose „Morbus Menière” keinen HNO Arzt aufgesucht haben, dann lassen sie sich von einem Kollegen intensiv beraten.
Oft kommen Patienten zu mir und sagen, dass man bei einem Menière „sowieso nichts machen kann”. Das stimmt so nicht! Man kann vieles für sie tun!
In diesem kleinen Artikel habe ich eine Auswahl der Behandlungsmöglichkeiten zusammengestellt, die ich in meiner Praxis ambulant anbiete.
Kortison bei Morbus Menière als Injektion oder Infusion
Im akuten Menière-Anfall kann die systemische Gabe von Kortison zu einer Verbesserung der Symptome führen. Je nach Schwere des Anfalls und Konstitution des Betroffenen wird die Dosis entsprechend angepasst.
Vor Kortisongaben haben viele Patienten Angst, obwohl es ein Hormon ist, welches in der Nebennierenrinde eines jeden Menschen produziert wird. Ja, Kortison kann Nebenwirkungen haben! Letztendlich sind diese überschaubar und beherrschbar.
Sind die Nebenwirkungen zu stark, handelt es sich um einen Risikopatienten oder hat der Betroffene schon negative Erfahrungen gesammelt, so stehen zum Glück andere Behandlungsalternativen zur Verfügung – wie zum Beispiel die intratympanale Kortikoidtherapie.
“Medikamente, die keine Nebenwirkungen haben, stehen im höchsten Verdacht, auch keine Hauptwirkung zu haben.“
Vomex – der Retter in der Not
Vomex ist für viele der Retter in der Not! Jeder, der unter häufigen Schwindelbeschwerden leidet, sollte stets eine Tablette oder ein Zäpfchen Vomex in der Tasche haben.
Vomex mindert die Übelkeit und den Brechreiz. Ich empfehle jedem Patienten stets ein Zäpfchen im Geldbeutel beziehungsweise in der Handtasche zu haben, um es im Notfall nutzen zu können. Die orale Gabe mittels Tabletten führt aufgrund des Erbrechens nicht zu einer Verbesserung der Lage.
Betahistin – wirkt es oder doch nicht?
Als Basismedikation benutze ich nach wie vor Betahistin, bei all jenen, die unter einem „echten” Morbus Menière leiden, das Medikament vertragen, es keine Kontraindikationen dazu gibt. Zu diesem Mittel muss man wissen, dass mehr als 90 Prozent der eingenommenen Menge nicht im Blutkreislauf ankommen, sondern direkt wieder ausgeschieden werden. Eine zu geringe Dosierung hat somit eher einen homöopathischen Ansatz.
Vor ein paar Jahren wollte eine Arbeitsgruppe beweisen, dass nur massiv hohe Dosierungen helfen. Die Studie zeigte aber, dass weder über-dosierte noch niedrig-dosierte Betahistingaben wirken. Der Schuss ging für ihn nach hinten los.
Meiner Erfahrung vertrauend hilft Betahistin beim „richtigen Menière„ durchaus, aber es wirkt nicht bei jedem. Einen Versuch ist es wert!
Picrotoxin – Zäpfchen – was ist denn das?
Picrotoxin kommt natürlicherweise vor allem in den „Cocculus indicus„ genannten Samen der asiatischen Kletterpflanze „Anamirta panixulata„ und „Anamirta cocculus„ vor. In der Homöopathie wird Cocculus gerne für Schwindelzustände benutzt.
Vielleicht kennen Sie das Produkt Vertigoheel? Ein Bestandteil ist besagtes Cocculus in homöopathischer Aufbereitung. Früher habe ich Cocculus D12 Globuli empfohlen (morgens und abends je 5 Gbl.). Eine Patientin schwört bis heute darauf.
Doch hier geht es um die chemische Aufbereitung als Zäpfchen. Picrotoxin wirkt stimulierend im Gehirn, wird als Atemanaleptikum und zur Krampfauslösung benutzt. Daher sollten Epileptiker tunlichst die Hände davon lassen.
Picrotoxin hat keine Zulassung als Fertigarznei und sie werden sicher Probleme haben, die Zäpfchen vom Apotheker herstellen zu lassen.
Picrotoxin sollte erst nach besonderer Nutzen-Risiko-Abwägung und nach ausführlicher Aufklärung des Patienten durch einen erfahrenen Arzt zur Anwendung kommen.
Die Wirkung ist in manchen Fällen verblüffend und kann dem ein oder Anderen zu einer Verminderung der Anfallshäufigkeit und Stärke führen.
Eine Studie gibt es zum Beispiel aus dem Jahr 2005 von Weikert und Kollegen aus Berlin. Sie verglichen auf der einen Seite Patienten, die mit Betahistin (3 x 12 mg) behandelt wurden mit Patienten die 3x wöchentlich ein Picrotoxin 0,001 g – Zäpfchen erhielten. In beiden Thearpiegruppen konnte eine Reduktion der Anfallsfrequenz und -intensität beobachtet werden. Im Verlauf konnte jedoch für Picrotoxin eine stärkere Verminderung von Häufigkeit und Ausprägung der Schwindelanfälle nachgewiesen werden.
Laut der Studie ist Picrotoxin eine wirkungsvolle und nebenwirkungsarme Ergänzung der medikamentösen Therapie der Menière-Erkrankung, welches einen festen Stellenwert in der Behandlungskaskade erhalten sollte.
Die Medikamentenkosten werden, da es sich um einen so genannten „off label use” handelt, nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Paukenröhrchen ins Ohr – mache ich eher selten…
Das Einbringen eines Paukenröhrchens in das Trommelfell soll vor allem beim Druckgefühl im betroffenen Ohr helfen und durch „das Ableiten des Überdrucks„ zu einer Verbesserung der Anfallshäufigkeit führen. Der Eingriff ist schnell in lokaler Betäubung erledigt und hat einigen Betroffenen geholfen.
Ich habe bei meinen Patienten nur eine leichte Besserung wahrgenommen und empfehle dieses Vorgehen nur, wenn ich alle Medikamente ausgereizt habe. Auch hier gilt aufgrund der wenigen Nebenwirkungen: Einen Versuch ist es wert.
Auf einem Kongress versicherte mir ein Kollege, dass bei ihm 50 Prozent eine deutliche Besserung verspürten. Diese Wahrnehmung kann ich nicht teilen und vielleicht wollte er nur etwas angeben.
In der wissenschaftlichen Literatur sieht man die Paukendrainage ähnlich. Es gibt keine Studien, die eine Wirksamkeit beweisen. Es existieren lediglich ein paar Anwendungsbeobachtungen.
Spritze ins Ohr
Im Jahr 2005 lauschte ich gespannt den Worten von Prof. Mang, dem damaligen Chefarzt der HNO Uniklinik in Mainz, als er ein neues Verfahren zur Hörsturz – Behandlung vorstellte, welches sogar Wochen nach einem Hörsturz oder missglückter Therapie beachtliche Erfolge vorzuweisen hat.
Seit dieser Zeit – wahrscheinlich als eine der ersten HNO Praxen in Deutschland überhaupt – führe ich dieses Verfahren durch und kann auf eine entsprechende Erfahrung mit mehr als eintausend Injektionen zurückblicken.
Primär sollte – zumindest in Deutschland – der Hörsturz mit der ITC behandelt werden, wenn er auf die empfohlene Hochdosis – Kortisontherapie nicht angesprochen hat.
Die Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass die intratympanale Kortikoidtherapie (ITC) genau so wirksam ist wie intravenöse Hochdosis- Kortisonbehandlung, jedoch ohne die systemischen Komplikationen einer Kortisontherapie.
Deshalb gibt es viele Patienten, die gerne auf die Kortison- Nebenwirkungen verzichten und sich sofort für die Spritze ins Ohr entscheiden.
In den letzten Jahren wurde das Verfahren intensiv untersucht und es fanden sich außerordentliche Möglichkeiten bei der Handhabung des Morbus Menière. Neben der Injektion mit Kortison werden bei der Labyrinthanästhesie ein lokales Betäubungsmittel oder bei der erfolgreichsten Behandlung ein Antibiotikum (Gentamicin) ins Mittelohr injiziert.
ITC in der Praxis
Bei der intratympanalen Behandlung wird nach lokaler Betäubung eine kleine Menge Kortison durch das Trommelfell in das Mittelohr gespritzt. Das Medikament gelangt über spezielle Membranen in das Innenohr, der eigentlichen Wirkstätte.
Die Injektion wird von den allermeisten Patienten sehr gut toleriert und nicht unangenehm empfunden. Natürlich ist das ein individuelles Empfinden. Es gibt viele, die überhaupt keine oder nur wenig Schmerzen angeben und zum Glück nur sehr wenige, die etwas darunter leiden, aber dennoch am Schluss belohnt werden.
Nach der etwa 10-15-minütigen Betäubung wird Ihnen im Liegen unter mikroskopischer Sicht eine Injektion ins erkrankte Ohr gegeben. Danach kann es kurzzeitig zu einem Drehschwindel kommen, der binnen einer Minute wieder verschwindet. Sie legen sich dann auf Ihre gesunde Seite wie zu Hause auf dem Sofa und genießen die nächsten 20 Minuten.
Es werden drei bis fünf Injektionen im Abstand von zwei bis drei Tagen benötigt. Diese führe ich normalerweise montags, mittwochs und freitags durch. Die Anzahl der Injektionen richtet sich nach dem Erfolg. In wenigen Fällen sind die Beschwerden nach der ersten Injektion verschwunden, dann benötigen sie keine weiteren.
Zu einer Verbesserung der Symptome kann es während der Behandlung kommen oder erst im Nachhinein – innerhalb der nächsten vier Wochen. Nach dieser Zeit führe ich regelmäßig eine Nachuntersuchung durch.
Komplikationen bei der Spritze ins Ohr?
Die häufigste Komplikation, ist das Versagen der Behandlung. Es ist keine Wundertherapie und ich kann ihnen den Erfolg nicht garantieren. Es ist eine dankbare, komplikationsarme Möglichkeit Ihnen zu helfen.
Das Einzige, was ich Ihnen versprechen kann: Mein Team und ich geben unser Bestes, dass Ihre Beschwerden wieder verschwinden und Sie das Hören wieder genießen können.
Zu Komplikationen kommt es nur in sehr wenigen Einzelfällen. Die kleinen Injektionslöcher heilen nach ein bis zwei Tagen komplett ab, so dass kein Loch entsteht. Ist das Trommelfell vorgeschädigt (z.B. nach Operationen oder aufgrund von Narben), kann es zu einem bleibenden Loch im Trommelfell kommen.
Das Kortison kommt nicht in die Blutbahn, somit sind keinerlei kortisonbedingte- Nebenwirkungen zu erwarten. Ihr Blutdruck wird sich aufgrund der Behandlung genauso wenig ändern wie der Blutzuckerspiegel. Deshalb wird die intratympanale Kortikoidtherapie als einzige Möglichkeit der Hörsturzbehandlung bei Hochrisikopatienten (Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetiker) empfohlen.
Alles in allem ist es ein sicheres Verfahren, welches ich jedem meiner Familienangehörigen im Fall des Falles empfehlen und durchführen würde.
Labyrinthanästhesie
Laut Aussagen vieler Anwender und Betroffener kann die Labyrinthanästhesie beim Morbus Menière eine vielversprechende Therapieoption sein. Sie ist nahezu unproblematisch bei der Menièreschen Erkrankung anwendbar und führt nach Angaben der Befürworter und einiger Patientenberichten zu einer Schwindelkontrolle von bis zu zwei Jahren.
Bekannter ist das Therapieverfahren, bei dem Gentamicin in das Mittelohr gespritzt wird, welches ich auch in meiner Praxis anbiete. Die meisten Patienten schrecken vor dieser Methode zurück, da durch die Gentamicintherapie beim Morbus Menière das Gleichgewichtsorgan dauerhaft ausgeschaltet wird. Da helfen auch die Argumente, dass es sich um ein sicheres Verfahren handelt wenig. Wenn die Patienten hören, dass das Vestibularorgan dauerhaft geschädigt wird, fragen sie sofort nach anderen Alternativen.
Nichtsdestotrotz wende ich die Gentamicin-Therapie sehr gerne und mit Erfolg an. Hörstörungen sind in meinem Patientengut noch nicht aufgetreten. Sämtliche Patienten waren und sind über einen längeren Zeitraum (aktuell der längste 24 Monate) nahezu schwindelfrei.
Eine weitere Möglichkeit zur „endgültigen Vergiftung„ des Gleichgewichtsorgans stellt die Labyrinthanästhesie dar. Sie ist eine wirklich einfach durchzuführende und auch gut verkraftbare Alternative zur Gentamicintherapie, allerdings führt sich nicht so regelmäßig zum Erfolg. Ich kann von sehr positiven Verläufen berichten und auch von solchen, bei denen es nicht gewirkt hat. Ein Patient brachte es auf tatsächlich sechs Jahre Anfallsfreiheit nach einer einmaligen Anwendung. Im Schnitt werden in der Literatur aber deutlich andere Zahlen genannt.
In den offiziellen Empfehlungen zur Behandlung des Morbus Menière finden sie keine Erwähnung dieser seit Jahrzehnten angewandten Methode. Das liegt daran, dass die bisherigen Studien einer bestimmten Form nicht genügten und somit auch keine sichere Wirksamkeit begründen konnten.
Seit Längerem führe ich in meiner Praxis die Labyrinthanästhesie beim Morbus Menière mit ähnlichem Erfolg durch. Niemand soll denken, dass dies ein „Allheilmittel„ für den Morbus Menière ist. Es ist einfach nur eine weitere Option für die, denen sonst keiner zuhört. Ich bin stolz und froh diese Behandlungsoption anbieten zu können. Nein, es funktioniert nicht bei jedem, aber bei vielen.
Vor einer Labyrinthanästhesie werden sämtliche notwendigen Testverfahren für das Hör- und Gleichgewichtsorgan durchgeführt. Ist dann die Entscheidung gemeinsam gefallen, vereinbaren wir einen Termin zur Durchführung.
1-2 Stunden vor der Behandlung empfiehlt sich die Einnahme einer Tablette Vomex, damit die akuten Gleichgewichtsstörungen nach der Injektion abgemildert werden. Das Ohr wird lokal mit einem kleinen Schwämmchen betäubt und nach einer viertel Stunde begeben sie sich in den Behandlungsraum. Die eigentliche Injektion dauert keine Minute und wird von vielen toleriert. Nur die wenigsten klagen über leichte Schmerzen. Gefolgt wird ein durch die Injektion bedingter leichter Drehschwindel über eine Minute.
Danach bleiben sie ca. 20 Minuten auf der gesunden Seite liegen und danach können sie nach Hause gehen.
Welche Nebenwirkungen sind bei der Labyrinthanästhesie zu erwarten?
Bereits während sie auf der gesunden Seite liegen kann es zu einem unterschwelligen Schwindelgefühl kommen. Nicht jeder nimmt dies wahr. Erst wenn sie sich nach 20 Minuten aufrichten merken sie, dass das Gleichgewicht etwas getrübt ist. Die Patienten ziehen es vor, danach nach Hause zu gehen und eventuell etwas zu schlafen. Nach dem erholsamen Schlaf geht es den meisten wieder gut, ohne dass sie weiter beeinträchtigt sind. Ein Patient ging abends sogar wieder tanzen.
Rechnen sie aber bitte mit einem Schwindelgefühl, welches ca. zwei bis drei Tage anhalten kann.
In manchen Studien wird von einer Hörminderung gesprochen. In meinem Patientengut konnte ich das bisher noch nicht beobachten.
Wie oft muss die Behandlung wiederholt werden?
Wenn es wirkt, dann wirkt es bereits nach einer Injektion. Es kann sein, dass man die Prozedur nach vier Wochen wiederholen muss, wenn keine ausreichende Wirkung erzielt wurde. Sollte auch die dritte Injektion keine Besserung zeigen, dann ist das nicht das richtige Verfahren für sie.
Studie Labyrinthanästhesie
Es wurden bisher – nach meinem Wissen – keine sogenannten prospektiven, placebokontrollierten, doppelblinden Studien an einer größeren Anzahl Patienten durchgeführt, sodass über die Evidenz dieser Methode keine sicheren Aussagen getroffen werden können.
Allerdings wurde über das Standardmedikament Betahistin eine solche „evidenzbasierte„ Studie gemacht und dabei kam heraus, dass Betahistin weder in der Standarddosis noch in der aus München propagierten massiven Überdosis wirkt.
Es wird aber dennoch empfohlen, da viele Menière Patienten positiv darauf reagieren. Ich weiß, das alles ist schwer verständlich. Aber trösten sie sich, ich verstehe die Welt auch nicht immer.
Jedoch gibt es wenige retrospektive Studien, die ich hier kurz zitieren möchte:
Aus dem Jahr 2003 stammt diese schöne Studie aus Frankfurt von den Kollegen Adunka und Moustaklis et. al, die 47 Patienten behandelt und im Nachhinein 24 davon betrachtet haben, da sich die restlichen nicht mehr meldeten. Einige dieser 24 mussten mehrmals behandelt werden.
16 Patienten (66 Prozent) hatten im Schnitt zwei Jahre keine Schwindelanfälle mehr. Weitere 5 Patienten (20,8 Prozent) berichteten von einer spürbaren Verbesserung der Anfälle, insbesondere waren die Anfälle danach nicht mehr so schwer. Die restlichen drei Patienten zeigten keine Verbesserung der Symptome.
Bei dieser Studie wurde somit eine Wirksamkeit bei 80 Prozent der untersuchten bestätigt. Als Nebenwirkung wurde bei jedem Patienten ein leichter Schwindel beschrieben, der bis zu 3 Tagen anhalten kann. Eine vorübergehende Hörstörung wurde von lediglich 3 Patienten angegeben.
Diese Ergebnisse decken sich mit den Erfahrungen aus meinem Patientengut in meiner Praxis.
Gentamicintherapie
Die intratympanale Gentamicintherapie gilt als Goldstandard – Behandlung, wenn die konservative, medikamentöse Behandlung oder auch die intratympanale Kortisontherapie nicht erfolgreich waren.
Hierbei wird ein Antibiotikum, welches bekannter Maßen „ototoxisch” wirkt. Das ist auch der Grund, warum diese Therapie nicht so beliebt ist. Es besteht die theoretische Möglichkeit, dass es zu einer bleibenden Hörminderung kommen könnte. Dies ist laut Studien auch schon einige Male geschehen. Ich konnte dieses Phänomen bei meinen Patienten bisher nicht beobachten. (Ich klopfe gerade auf Holz und hoffe, dass sich das so schnell nicht ändert.)
Ziel der ursprünglichen Behandlung ist, das Gleichgewichtsorgan komplett auszuschalten, so dass es keine Schwindelanfälle mehr geben kann. Natürlich fragen sie sich jetzt, wie man ohne ein Gleichgewichtsorgan leben kann. Die Antwort ist: Eigentlich ziemlich gut! Vor allem wenn man bedenkt, dass keine Schwindelanfälle mehr auftreten. Der Mensch hat viele Systeme, die dem Gleichgewichtssinn im Kleinhirn zuarbeiten: Die Gleichgewichtsorgane, die Augen, Muskelrezeptoren, die über den ganzen Körper verteilt sind und viele mehr. Fällt nun ein Gleichgewichtsorgan aus, dann übernehmen einfach die anderen Systeme etwas mehr Arbeit.
Das ist der Grund, warum man nach einem Ausfall des Gleichgewichtsorgans durch eine „so genannte Neuritis vestibularis„ ziemlich gut zurechtkommt.
Natürlich wird man das leicht unsichere Gefühl als Belastung empfinden, aber bedenken sie, dass sie KEINE oder nur wenige Schwindelanfälle in Zukunft haben.
Die Patienten, die sich in meiner Praxis für die Gentamicin-Therapie entschieden haben, sind bisher nicht enttäuscht worden oder haben das Risiko gerne in Kauf genommen.
Wie läuft eine Gentamicinbehandlung in meiner Praxis ab?
Der Vorgang ist genau so wie, ich ihn bereits bei der intratympanalen Kortisontherapie beschrieben habe. Nur, dass sich in diesem Fall kein Kortison, sondern Gentamicin in der Spritze befindet. Allerdings sollte man ein paar Regeln beachten und die ein oder andere Vorkehrung getroffen werden:
Es kommt nach der Injektion zu einem Schwindel, der länger andauern kann. Daher empfehle ich meinen Patienten, eine Stunde vor der Behandlung eine Vomex-Tablette zu nehmen. Auf gar keinen Fall sollte man nach der Therapie selbst mit dem Auto nach Hause fahren. Eine Begleitung ist dringend zu empfehlen.
Da der Schwindel erst nach einer gewissen Zeit einsetzt und man -wie bei einem Menière – Anfall – gerne zu Hause im Kreise seiner Angehörigen ist, möchten manche Patienten sofort nach der Injektion nach Hause fahren.
Ich biete den Betroffenen an, ein paar Stunden in der Praxis zu bleiben und eine Vomex-Infusion zu genießen, doch wird dieses Angebot eigentlich immer ausgeschlagen. Sollte es zu Hause zu Problemen kommen, so stehe ich selbstverständlich mit Rat und Tat zu Seite.
Der zu erwartende Schwindel entspricht etwa einem Menière-Anfall – wird aber von der Intensität eher geringer angegeben. Allerdings dauert der Schwindel etwas länger. Meine Patienten berichteten, dass es ihnen einige Tage übel war. Mit regelmäßigem Vomex war die Zeit aber auszuhalten.
Wahrscheinlich hat der Gedanke an die darauf folgende anfallsfreie Zeit auch geholfen.
Es existieren grundsätzlich zwei Vorgehensweisen bei diesem Verfahren:
Einmalige Injektion
Die einmalige Injektion von Gentamicin ist gleichzeitig der Einstieg, den ich meinen Patienten empfehle. Es ist nicht mit größeren Risiken verbunden und eine Hörminderung habe ich bis zum heutigen Zeitpunkt nie erlebt.
Der weitere Vorteil besteht darin, dass das Gleichgewichtsorgan nicht komplett ausgeschaltet wird, sondern – wie bei der Labyrinthanästhesie – zu so etwas wie einem „Reboot„ gezwungen wird. Das bedeutet, die Gleichgewichtsfunktion kann sich danach wieder erholen und man hat trotzdem keine oder weniger Schwindelanfälle als zuvor. Der letzte Patient wurde vor 8 Monaten behandelt und ist seither anfallsfrei, bei weiterhin funktionierendem Gleichgewichtsorgan. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die ich gerne bei jedem Einzelnen wiederholen würde.
Reicht die einmalige Behandlung nicht aus und es kommt zu weiteren Anfällen, dann ist die komplette Ausschaltung des Gleichgewichtsorgans zu empfehlen. Dies ist normalerweise nicht mit einer Injektion getan. Es werden mehrere benötigt.
Mehrmalige Injektion
Reicht die einmalige Injektion nicht aus, so kann man zu einer Behandlungsserie raten. Das Ziel dieser Behandlung ist, das Gleichgewichtsorgan komplett und auf Dauer auszuschalten. Dazu benötigt man in der Regel 3-4 Injektionen im Abstand von 3-4 Wochen. Ein längerer Krankenschein ist zu erwarten.
Obwohl es theoretisch bei jeder Behandlung zu einem länger andauernden Schwindel kommen kann, berichten die Patienten, dass es bereits bei der zweiten Injektion bedeutend erträglicher war und man gar nicht mehr so lange und auch nicht so schlimm unter Schwindelbeschwerden litt. Es wurde von Injektion zu Injektion besser.
Jetzt kommen wir noch zu dem seltenen Fall, dass weder die Kortison, noch die Gentamicin-Injektionen wirken:
In meinem Patientengut gibt es einen bedauerlichen Fall, einer entzückenden älteren Dame, bei der es auch nach der vierten Injektion zu keinerlei Schwindelbeschwerden kam. Weder bei der vorher mehrfach durchgeführten intratympanalen Kortikoidbehandlung noch bei der Gentamicintherapie kam es zu irgendeiner Reaktion (positiv oder negativ).
Die Patientin gehört zu der geringen Anzahl von Betroffenen, die unter einer Vernarbung im Mittelohr litt.
Das möchte ich ihnen kurz erläutern. Damit das Kortison oder das Gentamicin ins Innenohr gelangt, werden funktionsfähige Membranen im runden Fenster benötigt. Das „runde Fenster„ ist wie das ovale Fenster eine Bindegewebs – Membran zwischen Mittelohr und Innenohr. Im ovalen Fenster steckt die Fußplatte des Steigbügels der Mittelohrknochen und ist daher für die Diffusion der Medikamente in das Innenohr eher zu vernachlässigen.
Die Vernarbung des runden Fensters kann zum Beispiel durch Mittelohrentzündungen in der Kindheit entstehen und führt zu einer Verdickung der Membran. Dadurch kann entweder nur noch sehr wenig oder gar kein Wirkstoff mehr ins Innenohr gelangen.
Die Lösung war eine operative Entfernung der Membran und das Einbringen eines mit Gentamicin getränkten Schwämmchens direkt auf das befreite, runde Fenster.
Nach diesem Eingriff war die Patientin über Jahre schwindelfrei und glücklich. Bedauernswerterweise kam es jedoch zu einem Rückfall. Da die Dame eine erneute Operation scheute, versuchte ich, mit mehreren Gentamicin Injektionen zu helfen – leider ohne Erfolg.
Es handelt sich zum Glück nur um einen bedauerswerten Einzelfall.
Operation bei Morbus Menière
Die operativen Maßnahmen stehen ganz hinten in der Behandlungskaskade und sind somit die bekannte „ultima ratio„. Nur in Expertenhand haben sie Erfolg und sind auch nur dort zu empfehlen. Natürlich gibt es viele HNO Kliniken, die folgende Operationen durchführen, jedoch nur wenige, die sie auch beherrschen.
Nehmen wir als Beispiel die Saccotomie. Solange die Operation von Experten durchgeführt wurde, war sie auch erfolgreich. Es dauerte nicht lange und schon fühlte sich jeder Klinikchef oder Oberarzt berufen, die Operation durchzuführen. Dies führte dazu, dass sie in Verruf geriet und heutzutage nur noch von wenigen beherrscht wird. In meinen Augen ist sie weiterhin eine Behandlungsoption – auch wenn sie mittlerweile als obsolet gilt.
Mein früherer Chef hatte dafür ein goldenes Händchen und die Patienten waren zum Teil jahrelang beschwerdefrei.
Für den Betroffenen ist es aber sehr schwer, entsprechende Experten zu finden. Es sind oft jene, die nicht auf jeder Trommel spielen und nicht von sich behaupten, ein Experte zu sein.
Wenn alle Stricke reißen, dann kann man eine Neurektomie – also die operative Ausschaltung des Gleichgewichtsnervs – durchführen. Dies sollte aber die absolut letzte Option darstellen. In meinen bisherigen 20 Jahren als HNO Arzt habe ich noch niemanden getroffen, der eine solche Operation durchführen lies.
Ist das Hörvermögen komplett oder zu einem großen Teil verloren, so ist eine Cochlea Implantation sinnvoll. Dabei wird eine Elektrode in die Hörschnecke implantiert und man kann über einen Sprachprozessor hinterm Ohr (ähnliche Form wie ein Hörgerät), der Geräusche in elektrische Impulse umsetzt und sie danach über die Elektrode weitergibt.
Sie können sich bei den Herstellern (z.B. MedEl (www.medel.com)) darüber informieren.
Rehabilitation
Eine der wichtigsten Maßnahmen bei der Behandlung der Menière’schen Erkrankung ist die Rehabilitation. Es gibt in Deutschland spezialisierte REHA Kliniken, die sich um Patienten mit Morbus Menière kümmern. Sie lernen nicht nur ihre Erkrankung besser kennen, sondern erfahren auch aus erster Hand Strategien, damit sie besser mit dem Morbus Menière klar kommen.
Physiotherapie, manuelle Therapie, kognitive Verhaltenstherapie, apparative Maßnahmen und bei Bedarf eine Psychotherapie sind nicht nur bei einem massiven Tinnitus sinnvoll, sondern können auch beim Menière hilfreich sein.Diesem Gedanken sollten sie sich nicht verschließen, sondern ihn mit offenem Herzen aufnehmen.
Hörgeräteversorgung
Vielleicht werden sie diesen Absatz überspringen, denn die meisten Schwerhörigen behaupten, dass sie gut hören. Von 100 Prozent Schwerhörigen, behaupten 70 Prozent, dass sie überhaupt keine Probleme mit dem Hören haben.
Schwerhörigkeit beginnt schleichend. Beim Morbus Menière ist das Fortschreiten der Hörminderung eher nicht schleichend.
Wenn es erforderlich ist, probieren sie bitte Hörgeräte aus. Nur wenn sie Hörgeräte mit offenem Herzen ausprobiert haben, dann können sie entscheiden, ob ihnen ein Hörgerät hilft oder nicht.
Seit 2019 biete ich jedem Patienten, der ein Hörgerät benötigt, in meiner Praxis eine Hörgeräteversorgung zum Ausprobieren an. Viele, die vorher behauptet haben, dass sie kein Hörgerät benötigen, konnten von der positiven Wirkung profitieren.Vielleicht sind sie mutig genug und besuchen jetzt einmal einen Hörgeräteakustiker und probieren ein Hörgerät aus.
Zum guten Schluss
Wie sie an der obigen Ausführung sehen, kann man sehr viel gegen den Morbus Menière tun, bevor man die Naturheilkunde bemüht. Diesen Bereich habe ich hier komplett ausgelassen, da er mindestens genausoviele Möglichkeiten bietet, wenn nicht sogar noch mehr (Bioresonanztherapie, Schüssler-Salze, Akupunktur, Hömöoapthie, Phytotherapie).
Das Wichtigste, was sie jedoch benötigen ist GEDULD! Die Menière Erkrankung ist keine Erkrankung, bei der dieses “eine” Medikament immer zuverlässig innerhalb von drei Tagen wirkt.
DAS EINE WAHRE MEDIKAMENT GIBT ES BEIM MORBUS MENIÈRE NICHT! – und jeder der das behauptet, ist ein Scharlatan.
Es ist eher ein Prozess, ein Weg aus der Erkrankung beziehungsweise ein Weg mit der Erkrankung zu leben und damit gut umzugehen. Gesund ist derjenige, der mit seinen angesammelten Einschränkungen einigermaßen gut oder besser sehr gut zurecht kommt.
Auf diesen Weg sollten sie sich einlassen. Dann werden sie hoffentlich Erleichterung erfahren.