Chronischer Paukenerguss bei Kindern: Ursachen, Risikofaktoren und was Eltern wissen sollten
Was ist ein chronischer Paukenerguss?
Ein Paukenerguss bezeichnet die Ansammlung von Flüssigkeit hinter dem Trommelfell, ohne dass eine akute Entzündung vorliegt. Hält dieser Zustand länger als drei Monate an, sprechen Fachleute von einem chronischen otitis media mit Erguss (COME). Besonders häufig betroffen sind Kinder bis zum siebten Lebensjahr.
Anders als bei einer akuten Mittelohrentzündung verursacht ein Paukenerguss meist keine Schmerzen. Umso wichtiger ist es, auf indirekte Anzeichen wie schlechtes Hören oder Sprachverzögerungen zu achten.
Die wichtigsten Risikofaktoren im Überblick
COME ist keine isolierte Erkrankung mit einer einzigen Ursache. Es handelt sich um eine multifaktorielle Erkrankung, bei der verschiedene Risikofaktoren zusammenspielen. Diese lassen sich grob in vier Gruppen einteilen:
1. Sozioökonomische Faktoren
- Sozial benachteiligte Familien
- Viele Geschwister im Haushalt
- Besuch von Kindertagesstätten mit engem Kontakt
- Hoher familiärer Stress
Studien zeigen: Eine frühzeitige Behandlung, etwa durch Paukendrainage, kann die psychosoziale Entwicklung deutlich verbessern – besonders bei Mädchen.
2. Umwelt und Lebensstil
- Passivrauchen schwächt die Immunabwehr
- Übergewicht steht mit vermehrter Schleimbildung im Zusammenhang
- Reflux reizt das Mittelohr durch zurückfließende Magensäure (Pepsin im Sekret nachweisbar)
3. Anatomische und genetische Besonderheiten
- Vergrößerte Rachenmandeln (Adenoide)
- Gaumenspalten oder genetische Syndrome wie Trisomie 21
- Gestörte Zilienbewegung (z. B. bei primärer ziliärer Dyskinesie)
4. Allergien und Infektionen
- Allergische Rhinitis (Heuschnupfen)
- Häufige virale Atemwegsinfekte
- Bakterielle Biofilme im Mittelohr und auf den Adenoiden
Wie zeigt sich ein chronischer Paukenerguss?
Die Symptome sind oft unspezifisch:
- Schlechtes Hören, besonders in ruhiger Umgebung
- Verzögerte Sprachentwicklung
- Konzentrationsprobleme
- Häufiges Nachfragen oder lautes Sprechen
- Sozialer Rückzug oder Frustration
Manche Kinder zeigen gar keine Symptome – daher sind regelmäßige kinderärztliche Kontrollen entscheidend.
Welche Folgen kann ein unbehandelter Paukenerguss haben?
Langfristig kann ein chronischer Erguss das Trommelfell, das Mittelohr und das Hörvermögen schädigen. In schweren Fällen droht ein bleibender Hörverlust, der die Sprachentwicklung und schulische Leistungen negativ beeinflusst.
Wie wird ein Paukenerguss festgestellt?
- Ohrmikroskopie: Sichtkontrolle des Trommelfells
- Tympanometrie: Messung der Beweglichkeit des Trommelfells
- Hörtest: Beurteilung des Hörvermögens
- Ggf. allergologische oder gastroenterologische Abklärung
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Die Therapie hängt vom Alter, Schweregrad und den Ursachen ab:
- Abwarten: In vielen Fällen bildet sich der Erguss spontan zurück.
- Nasentherapie: Z. B. mit kortisonhaltigen Sprays bei Rhinitis.
- Adenotomie: Entfernung der Rachenmandeln bei Vergrößerung.
- Paukendrainage: Belüftungsröhrchen im Trommelfell.
- Logopädie: Bei Sprachverzögerung.
- Allergie- oder Refluxtherapie: Bei entsprechender Ursache.
Was können Eltern tun?
- Rauchfreie Umgebung schaffen
- Ausgewogene Ernährung und gemeinsames Essen fördern
- Sprachauffälligkeiten frühzeitig ernst nehmen
- Regelmäßige kinderärztliche Kontrollen wahrnehmen
Fazit
Der chronische Paukenerguss ist eine häufige, oft unterschätzte Erkrankung im Kindesalter. Er entsteht durch das Zusammenspiel vieler Faktoren – von Umwelt über Anatomie bis zur Immunabwehr. Die gute Nachricht: Mit rechtzeitiger Diagnose und individueller Behandlung sind die Aussichten sehr gut.
Wichtiger Hinweis
Bei Fragen zur Hörentwicklung oder bei Verdacht auf einen chronischen Paukenerguss sollte man sich an einen HNO-Arzt mit Erfahrung in der Behandlung von Kindern wenden. Dort kann eine kindgerechte Diagnostik und gegebenenfalls Therapie erfolgen. Ich selbst habe mich in meiner Praxis auf andere Behandlungsschwerpunkte spezialisiert und biete keine spezielle kinderärztliche HNO-Versorgung an.
Quellen
- Runge A et al. Aktuelle Hypothesen zur Entstehung des chronischen Seromukotympanons im Kindesalter. HNO. 2025;73:271–282. DOI-Link
- AWMF-Leitlinie Seromukotympanon
- Samuels TL et al. Laryngoscope. 2022.
- Zielnik-Jurkiewicz B et al. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2016.
- Kim SK et al. Int Adv Otol. 2019.