DemenzHören

Schwerhörigkeit im Alter: Warum gutes Hören auch das Gedächtnis schützt

Altersbedingte Schwerhörigkeit ist keine Bagatelle

Altersbedingte Schwerhörigkeit (Presbyakusis) betrifft etwa ein Drittel der Menschen über 65 Jahre. Dabei handelt es sich nicht um eine Erkrankung im klassischen Sinne, sondern um eine fortschreitende Abnahme der Hörfähigkeit, die in der Regel beide Ohren betrifft. Die Ursachen sind vielschichtig: genetische Veranlagung, Durchblutungsstörungen im Innenohr, Lärmexposition im Lebensverlauf und degenerative Prozesse im zentralen Hörsystem spielen eine Rolle.

Was passiert im Ohr?

Im Innenohr befinden sich Haarzellen, die Schallreize in elektrische Signale umwandeln. Mit zunehmendem Alter sterben diese Zellen langsam ab. Auch die sogenannten Bändersynapsen, die die Haarzellen mit dem Hörnerv verbinden, verlieren an Effizienz. Neue Studien belegen, dass selbst geringe Lärmexpositionen im Alltag zu Mikroschäden führen können. Dieser schleichende Prozess bleibt oft lange unbemerkt.

Schwerhörigkeit und kognitive Leistung

Aktuelle Studien zeigen eine enge Verbindung zwischen Schwerhörigkeit und dem Risiko für kognitive Beeinträchtigungen bis hin zur Demenz. Eine zentrale Hypothese lautet: Wenn das Gehirn dauerhaft unterfordert ist, weil Hörinformationen fehlen oder unzureichend verarbeitet werden, schrumpfen Areale, die eigentlich für das Sprachverstehen zuständig sind. Zudem steigt die allgemeine kognitive Belastung, weil Betroffene versuchen, Gespräche trotz eingeschränkter Hörleistung zu verstehen.

Studienlage

Laut einer vielbeachteten Metaanalyse von Lin et al. (2011) steigt das Demenzrisiko mit dem Grad der Schwerhörigkeit: Leichte Hörminderung geht mit einem um ca. 20 Prozent erhöhten Risiko einher, bei starker Schwerhörigkeit steigt es auf über 80 Prozent. Eine deutsche Studie aus dem Jahr 2023 (Hesse et al.) bekräftigt diese Ergebnisse. Besonders relevant: Hörgeräte können diesen Prozess verlangsamen.

Warum Hörgeräte so selten genutzt werden

Trotz eindeutiger Vorteile trägt nur ein Teil der Betroffenen tatsächlich ein Hörgerät. Gründe sind unter anderem Scham, mangelnde Aufklärung, schlechte frühere Erfahrungen oder unzureichende Anpassung. Dabei ist belegt: Eine gute Hörgeräteversorgung verbessert nicht nur das Sprachverstehen, sondern kann auch die Lebensqualität und soziale Teilhabe deutlich steigern.

Der Zusammenhang mit Demenz

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat unbehandelte Schwerhörigkeit als einen der wichtigsten modifizierbaren Risikofaktoren für Demenz identifiziert. Sie empfiehlt, bereits ab dem 50. Lebensjahr regelmäßige Hörtests durchführen zu lassen. Frühzeitig erkannte Hörminderungen lassen sich oft mit einfachen Mitteln kompensieren.

Hörtraining und kognitive Reserve

Neben technischen Hilfsmitteln wie Hörgeräten rückt zunehmend auch das Hörtraining in den Fokus. Ziel ist es, das Gehirn gezielt zu trainieren, um Hörinformationen besser zu verarbeiten. Studien deuten darauf hin, dass dies auch positive Effekte auf die sogenannte kognitive Reserve haben kann. Je größer diese Reserve, desto besser kann das Gehirn altersbedingte Veränderungen kompensieren.

Fazit

Schwerhörigkeit im Alter ist mehr als ein „leiser“ Verlust. Sie kann weitreichende Folgen für das Gehirn, das soziale Leben und die Lebensqualität haben. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um Folgeerkrankungen zu vermeiden. Regelmäßige Hörtests, gut angepasste Hörgeräte und gegebenenfalls ein gezieltes Hörtraining können helfen, geistig fit zu bleiben.


Quellen:

  • Hesse G. et al., UPDATE HNO 2024/2025
  • Lin F.R. et al., Arch Neurol. 2011;68(2):214-220.
  • WHO-Bericht: Risk Reduction of Cognitive Decline and Dementia, 2019